Autor: Dr. Vincent Stamer, Commerzbank
Frankfurt/Main (21.10.25) – Unser Quant-Modell auf der Grundlage von maschinellem Lernen prognostiziert für die kommenden Monate eine höhere Kerninflation im Euroraum als es dies im August getan hat. Die Inflation ohne Energie, Lebens- und Genussmittel wird also langsamer sinken als zuvor angenommen. Auch unserer Analyse der Inflationsdetails zeigt derzeit keine Bewegung des unterliegegenden Inflationsdrucks. Erst in den kommenden Monaten dürfte die Dynamik der Dienstleistungsinflation aufgrund von lansgamer steigenden Löhnen und niedrigeren Energiepreisen abnehmen.
Unser Quant-Modell für die Inflation im Euroraum auf der Grundlage von maschinellem Lernen (siehe hier) erwartet für die kommenden Monate weiterhin eine um das EZB-Ziel von 2% schwankende Inflationsrate (Chart 1). Zwar dürften die Energiepreise in den kommmenden Monaten aufgund des niedrigen Ölpreises weiter sinken. Allerdings erwartet das Quant-Modell eine höhere Inflation ohne Energie, Lebens- und Genussmittel als bisher prognostiziert. Damit dürfte die Vorjahresrate der Kernrate in den kommenden zwölf Monaten nur sehr langsam auf das EZB-Ziel von 2% sinken (Chart 2).
Einige andere Indikatoren signalisieren allerdings ein kurzfristiges Abwärtsrisiko bei der Dienstleistungsinflation (siehe DeepDive unten.)
| Chart 1 – Die Inflationsprognose insgesamt bleibt unverändert |
| Verbraucherpreisindex im Euroraum, Vorjahresraten in %, ab Okt. 2025 CBK Quant-Prognosen |
| Quelle: Eurostat, Commerzbank-Research |
| Chart 2 – Die Kernrate könnte hartnäckiger bleiben als gedacht |
| Verbraucherpreisindex im Euroraum (Kernabgrenzung), Vorjahresraten in %, ab Okt. 2025 CBK Quant-Prognosen |
| Quelle: Eurostat, Commerzbank-Research |
Laut der endgültigen Zahlen von Eurostat und der EZB sind die Verbraucherpreise im Euroraum ohne Energie, Nahrungs- und Genussmittel (Kernrate) im September gegenüber August saisonbereinigt nur um 0,13% gestiegen. Damit war das Plus niedriger als im Durchschnitt der vorangegangenen drei Monate und lag zudem unter der dem EZB-Ziel entsprechenden Vormonatsrate. Allerdings dürfte die von Eurostat verwendete Saisonbereinigung das Tempo im September unterschätzen. Denn auf Basis der von uns bevorzugten Saisonbereinigung war die Kernrate deutlich höher (Chart 3). Die Preise für volatile Dienstleistungen wie Transport, Pauschalreisen und Versicherungen haben hingegen die Teuerungsrate im September kaum beeinflusst.
| Chart 3 – Die Kernrate pendelt sich über dem EZB-Ziel ein |
| Harmonisierter Verbraucherpreisindex im Euroraum, ohne Energie-, Lebensmittel- und Genussmtitelpreise, saisonbereinigt, Veränderung gegenüber dem Vormonat in %; Abzüge in Prozentpunkten |
| Quelle: EZB, Commerzbank-Research |
Insgesamt dürfte sich die Kernrate daher weiterhin als hartnäckig erweisen, und sie dürfte auch in der Winterjahreshälfte über dem Ziel der EZB liegen. Auch darüberhinaus könnte die Abschwächung der Lohninflation niedriger ausfallen als von der EZB erwartet. Zudem dürften Unternehmen in den vergangenen Monaten gestiegene Inputpreise und Löhne nicht vollumfänglich an ihre Kunden weitergegeben, sondern fallende Profitmargen in Kauf genommen haben. Angesichts der nun deutlich niedrigeren Profitmargen dürften sie in Zukunft steigende Inputpreise stärker weiterzugeben.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte bereits klar formuliert, dass die Hürden für weitere Zinssenkungen nun hoch sind. Die Inflation dürfte mit ihrer Seitwärtsbewegung in den kommenden Monaten zumindestnicht für Zinssenkungen sprechen.
Im September stiegen die Dienstleistungspreise im Vergleich zum August saisonbereinigt mit 0,2% und damit etwas lansgamer als im Durchschnitt der ersten acht Monate des Jahres (Chart 4). Dementsprechend prognostiziert auch das Modell auf Grundlage der vergangen Trends der Inflationskomponenten eine weiterhin hartnäckige Entwicklung der Dienstleistungspreisinflation (Zeit-Lags Modell, Chart 4). Dieses Modell beinhaltet auch die vergangene Inflation bei anderen Inflationskomponenten wie den Lebens- und Genussmitteln. Da die Preise für Lebens- und Genussmittel zuletzt mindestens genauso stark gestiegen sind wie die Dienstleistungspreise, dürften teurere Restaurant- und Hoteldienstleistungen auch weiterhin die Dienstleistungsinflation anschieben.
Die anderen wichtigen Modelle für die Dienstleistungsinflation gehen allerdings davon aus, dass sich die Vormonatsrate in den kommenden zwölf Monaten bis auf 0,1% fallen wird. Dafür sprechen beispielsweise die negative Output-Lücke (Modell Konjunktur), sowie die im Trend fallenden PMI-Input- und Verkaufspreise im Dienstleistungssektor und der weiter sinkende Wagetracker der EZB (Modell Löhne und Preisumfragen). Auch die Entwicklung der Rohstoffpreise spricht derzeit nicht für ein Anziehen der Preise etwa im Transportsektor.
Insgesamt könnte sich die Dienstleistungsinflation damit weiterhin über der 0,2%-Marke bewegen. Denn es ist durchaus möglich, dass die Dienstleistungspreise ihrem Trend folgen und die wichtigsten Indikatoren nicht alle Informationen berücksichtigen. Dennoch signalisieren die Modelle ein Abwärtsrisiko für die Kernrate.
| Chart 4 – Alle Modelle erwarten eine niedrigere Dienstleistungsinflation außer das Zeitreihen-Modell |
| Verbraucherpreisindex für Dienstleistungen im Euroraum und Prognosen auf der Grundlage verschiedener Indikatorengruppen, saisonbereinigt, Vormonatsraten in % |
| Quelle: EZB, Commerzbank-Research |
Die Kerninflation bleibt hartnäckigOffizielle Kernrate könnte zu niedrig seinDie Kerninflation stellt keinen Handlungsbedarf für die EZB darDeepDive Dienstleistungen: Voll im Trend?